Nächtliches Erschrecken – Extraetüde, die I.

Die Worte: Nieselregen, weich, irren, Café, verdorben, beißen.

Die Einladung und die Regeln  (hier maximal 500 Worte) bei der lieben Christiane


 

Ich lasse mich in die weichen Kissen fallen. Wenn ich mich nicht irre, fällt draußen Nieselregen, zumindest fühlt sich die Katze danach an, als sie sich zu mir legt.  Aber zu hören ist nichts.

Ich drehe mich auf die Seite und schließe die Augen.
Ruhe.

Dieses Gelärme in den Cafés geht mir manchmal auf die Nerven, es zerrt an ihnen und meine Ohren dröhnen noch nach. Zu viel Geplapper, zu wenig Zuhören, Hinhören, Verstehen.
Bitte, verstehe mich nicht falsch, ich treffe mich gerne mit meinen Mädels. Ich bin froh, wenn wir es schaffen, uns zu sehen! Aber ich habe lieber die leisen Treffen, auf denen auch das gehört werden kann, was nicht gesagt wird. Bei denen Nähe entsteht, weil Raum da ist und Luft zum Atmen.

Ich drehe mich auf die andere Seite, und während meine Gedanken langsamer werden, putzt sich der Kater neben mir trocken.

Das nächste, was ich wahrnehme, ist mein eigenes Hochschrecken. Ich schnappe nach Luft mit weit aufgerissenen Augen. Mein Herz klopft wie wild und in mir ist nur der eine Gedanke: Du durftest doch nicht auf dieser Seite liegen! Ich werde wach mit dem Gefühl, soeben meinen eigenen Tod verursacht zu haben. Und noch während des Atemholens bemerke ich, wie unsinnig und irrational das ist: 1. Augenscheinlich bin ich daran vorbeigeschrabbt. 2. Ich sollte nicht auf einer Seite liegen? Weil es mich umbringen könnte? Das ist Quatsch! Ich beiße mir auf die Fingerknöchel, um ganz wach zu werden, während ich mich umblicke. Der Kater streckt sich neben mir. Er schläft noch nicht, es ist also kaum Zeit vergangen. Aber genug, dass mir das Blut in den Adern gestockt ist.

Woher das nur kommt? Ich erlebe es immer und immer wieder. Dieses Hochschrecken. Dieses Gefühl, etwas auf gar keinen Fall tun zu dürfen und dann genau dabei hochzuschrecken. Es ist ein verzweifeltes Gefühl, absolutes Versagen, tiefes Erschrecken. Wenn ich mich nicht unter Kontrolle habe, führt das zu meinem Tod. Ich werde ersticken. Ja, genau, das ist es, das Ersticken, immer wieder das Ersticken.

Ist es nicht wunderbar, dass die Lebensthemen uns immer und immer wieder präsentiert werden, bis wir sie irgendwann verdaut haben? Ich habe mal irgendwo gelesen: Das Leben ist eine dumme Pottsau. Das könnte ich in so einer Situation auch unterschreiben, aber danach, so wie jetzt, finde ich das Leben eher äußerst intelligent. Es serviert uns ein und dasselbe Thema in immer anderen Verpackungen, bis wir mal irgendwann mit dem Thema durch sind. Und wir haben da gar nicht so viel Einfluss drauf. Es ist wie bei verdorbenem Essen, das auch erstmal einfach durch uns hindurch muss, bevor wir es loswerden. Irgendwann, wenn wir unser Thema verdaut haben, wenn wir es durchfühlt und erlebt haben, ist es vorbei und wir fühlen uns wieder gut. Manchmal sogar besser als vorher.


465 Worte.

Alle selbst erlebt. Oder nicht?
Mein Leben als Etüde. Warum nicht?
Oder sollte ich das offen lassen?
Oder: Alles ausgedacht. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig!
Hach, ich weiß nicht.
Ist es egal?

 

5 Gedanken zu “Nächtliches Erschrecken – Extraetüde, die I.

  1. Ja, das erlebe ich auch, dass gewisse Themen wiederkommen, bis man (anscheinend? offensichtlich? für wen?) das gelernt hat, was man daraus lernen sollte. Lebensthemen nennen das manche.
    Schöne, nachdenkliche Etüde, die offenbar in einem Haus mit Katzenklappe spielt … 😉
    Liebe Grüße und danke
    Christiane

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      1. Mein Grund, mich gegen eine Katzenklappe zu entscheiden. Meiner möchte Mäuse mit reinbringen, sie neben seinen Napf legen, sich vollfressen und dann mit der Maus weiterspielen. Die Maus möchte das nicht. Ich auch nicht. Also keine Katzenklappe – und Katzen mit Mäusen (und leider manchmal auch mit Vögeln) bleiben sicher draußen … 😄

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      2. Tja, früher hatten wir das Theater auch fast täglich, aber noch nie hat sich eine Maus dauerhaft eingenistet. Einmal ist eine ausgewachsene Krähe irgendwie durch die Klappe gekommen, da hab ich fast einen Herzinfarkt bekommen. Keine Ahnung, ob die so einen Totstellreflex haben und von einer Katze angeschleppt wurde, oder ob sie eigenständig reimgehüpft ist, jedenfalls war sie in der 1. Etage im Bad, auf der Handtuchstange. Fenster aufgemacht und sie ist rausgeflogen. Das war ein Schreck! Und einmal hüpfte ein Frosch im ersten Stock rum. Den haben wir auch – hoffentlich unverletzt – gerettet.
        Wir hatten auch schon eine fremde Katze hier drin. Aber eigentlich klappt es ganz gut, und die alten Herren sind sowieso inzwischen recht anhänglich. Trotzdem glaube ich, dass sie die Unabhängigkeit noch immer genießen, auch wenn die Erkundungsgänge immer kürzer werden.
        Lieber Gruß,
        Hummel

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